Der ADFC Osnabrück misst Überholabstände zu Radfahrenden und fordert #MEHRPLATZFÜRSRAD!
Wir alle kennen noch die AHA-Regeln während der Corona Pandemie und das erste „A“ für Abstand von 1,50 m zu anderen Personen. Sehr viele haben sich an die Regel gehalten. Doch leider funktioniert es im Straßenverkehr nicht so gut, wie in der Schlange vorm Bäcker! 68% aller KFZ überholen Radfahrende im Landkreis und in der Stad Osnabrück zu dicht, obwohl in der Straßenverkehrsordnung die Überholabstände zu Fahrrädern verbindlich geregelt sind. Innerorts beträgt der Abstand mindestens 1,50 m und außerorts mindestens 2,0 m. Kinder, entweder auf Rädern oder im Anhänger müssen immer mit mindestens 2,0 m Abstand überholt werden! Die Gefährdung durch enges Überholen ist für sehr viele Menschen ein wesentlicher Grund, nicht mit dem Fahrrad zu fahren.
Damit sich das ändert und das Radfahren sicherer wird, haben AG Verkehrstechnik des ADFC Osnabrück das Projekt OpenBikeSensor gestartet, denn mit dem OpenBikeSensor (OBS) können Überholabstände im Straßenverkehr zu Radfahrenden gemessen und kartiert werden.
Der OBS wurde von einer kleinen Gruppe aktiver Alltagsradler:innen entwickelt. Das Gerät misst Überholabstände und notiert dazu die genaue Position (Geodaten), Uhrzeit, Datum und Strecke. Die so erfassten Daten werden in einem Internet-Portal anonym gesammelt, ausgewertet und in einer Karte dargestellt (www.obs.adfc-osnabrueck.de).
20 Geräte erfassen Überholvorgänge
Anfang 2022 startete die Gruppe in Kooperation mit der Integrierten Gesamtschule Osnabrück mit dem Bau der OBS-Geräte. Im September 2022 waren die ersten OBS einsatzbereit. Kurz darauf waren über 20 Geräte im Landkreis und in der Stadt Osnabrück unterwegs und 27 Fahrer:innen sammelten auf über 6.550 Kilometern Strecke 9.453 Überholvorgänge. Jetzt nach 6 Monaten liegen nun ausreichend Daten für erste Auswertungen und Analysen vor:
Überholungen Stadt Osnabrück: 7.956, davon mit zu geringen Abstand 69%
Überholungen Landkreis Osnabrück: 1.499, davon mit zu geringen Abstand 67%
- Nur Ein Drittel der Autofahrer halten ausreichenden Überholabstand
Top 10 Straßen mit den meisten Messfahrten und zu geringen Überholabständen:
- Erich-Maria-Remarque-Ring; Median 99 cm; 94% zu nah
- Goethering; Median 102 cm; 93% zu nah
- Konrad-Adenauer-Ring; Median 108 cm; 91% zu nah
- Frankenstraße; Median 116 cm; 82% zu nah
- Heger-Tor-Wall; Median 117 cm; 90% zu nah
- Schlosswall; Median 117 cm; 87% zu nah
- Lengericher Landstraße; Median 117cm; 95% zu nah
- Pagenstecher Straße; Median 118 cm; 80% zu nah
- Iburger Straße; Median 119 cm; 87% zu nah
- Nonnenpfad; Median 119 cm; 72% zu nah
Lieber weiter links fahren
„Wer weit rechts fährt, wird dichter überholt“ sagt Markus Heineking, der über 8000 Überholvorgänge ausgewertet hat. „Daher empfehlen wir, mindestens 1 m Abstand zum rechten Fahrbahnrand zu halten. Zu parkenden Autos müssen es sogar 1,5 m sein.“
„Langsame Radfahrer:innen werden häufiger zu dicht überholt als schneller fahrende, daher müssen gerade langsame und unsichere Radfahrer:innen durch bessere Infrastruktur, also #MEHRPLATZFÜRSRAD, geschützt werden“ ergänzt Bernard Brunklaus.
Nur in 6 % mit ausreichend Abstand
Zu den kritischsten Straßen in Osnabrück gehören fast alle 4-spurigen Hauptstraßen, angeführt vom Erich-Maria-Remarque-Ring, auf dem nur in 6 % ausreichend Abstand gehalten wurde. „Auf diesen Strecken muss die Stadt Osnabrück dringend tätig werden“ fordert Wolfgang Driehaus, der verkehrspolitische Sprecher des ADFC Osnabrück. „Diese Strecken müssen ebenso in ein ad-hoc -Programm aufgenommen werden wie die Kreuzungen, die seit dem Unfall vor 16 Monaten schrittweise verbessert werden. Auf 4-spurigen Straßen ist der Platz vorhanden, um mehr Sicherheit für den Radverkehr erreichen, zum Beispiel durch Umwidmung von Spuren zu Fahrradspuren wie jüngst auf der Mindener Straße.“
Die häufig in der Stadt Osnabrück vorhandenen Fahrrad- und Schutzstreifen sind viel zu schmal und täuschen eine Sicherheit für Radfahrende vor. Viele KFZ-Fahrer:innen orientieren sich an den markierten Linien und überholen so automatisch viel zu dicht. Wenn schon wegen Platzmangels keine baulich getrennten Radwege möglich sind, so müssen die Fahrrad- und Schutzstreifen eine Mindestbreite von 2,0 m einhalten
Methodik
Die Messungen wurden nur auf Fahrradstreifen und Schutzstreifen durchgeführt und nicht auf baulich getrennten Radwegen. Sofern der Radverkehr auf Fahrradstreifen fahren muss, handelt es sich nicht um Überholen gem. §5 StVO, dort gilt aber genauso ein Mindestabstand von 1,5 m und außerorts von 2 m, der sich aus dem Gefährdungsverbot aus §1 StVO ergibt. Fahrradstreifen sind im Gegensatz zu Schutzstreifen nicht Teil der Fahrbahn, sondern gelten als „Sonderfahrbahn“, weshalb das Überholen dort als „Vorbeifahren“ gewertet wird.
Der OpenBikeSensor zeichnet Daten nur nach Aufforderung des Radfahrenden auf, d. h. dass ein Überholvorgang manuell gespeichert wird. Das Gerät macht keine Bilder, alle Daten sind somit anonym, es geht bei der Datenaufnahme rein um die Gefährdungsbeurteilung im fließenden Verkehr.
Durch die große Datenmenge von 9.400 Überholungen, die 27 Testfahrer innerhalb von 5 Monaten produziert haben, halten wir die Aussagen über die Straßen für sehr verlässlich.
Zukunft
Unsere Analysen und Erkenntnisse werden wir den Gemeinden und Verwaltungen gerne im Dialog vorstellen. Gemeinsam möchten wird die Verkehrswende mit #MEHRPLATZFÜRSRAD und mehr Sicherheit für Radfahrende voranbringen!
Die nächsten Orte, in denen wir Messungen mit dem OBS durchführen wollen, sind Melle, Bohmte, Bramsche und Bersenbrück – weitere folgen. Interessierte Alltagsradler, die gerne mitmachen möchten, schreiben uns eine E-Mail an [email protected].