Fahrradtourismus boomt

Radreisesaison beginnt

Reisen mit dem Fahrrad ist fast so alt wie das Fahrrad selbst, sogar die ersten Weltreisen wurden schon im vorletzten Jahrhundert unternommen. Das Fahrrad hat seitdem seinen Platz als Verkehrsmittel im Alltag und auf Reisen. Trotz aller anderen Verkehrsmittel, mit denen sich Entfernungen doch so viel schneller und bequemer zurücklegen lassen, wird Reisen mit dem Fahrrad immer wichtiger. Unsere Verkehrsminister sehen den Wert des Fahrradfahrens immer noch mehr in der Tourismusbranche. Damit unterschätzt er die Möglichkeiten des Radverkehrs natürlich bei weitem. Früher war das Fahrrad für breite Bevölkerungsschichten ein Alltagsverkehrsmittel, mit dem man auch reiste, heute muss es als Alltagsverkehrsmittel für die breite Bevölkerung von Vereinen wie dem ADFC und Initiativen gefördert und unterstützt werden, während Radtouren und Radreisen gefragt sind und sich vor allem letztere gut vermarkten lassen. 

Das Gefühl der Freiheit

Warum deckt das Reisen mit dem Fahrrad so viele Bedürfnisse in unserer Zeit ab? Da fallen uns viele Aspekte ein: Mit dem Rad ist man nah dran: Nah an der Natur, nah am Berg, nah an den Menschen unterwegs. Man ist nicht von vielen Äußerlichkeiten abhängig und kann seine Pläne spontan ändern, schnell mal anhalten, wo es schön ist oder wo man essen/trinken/reden kann. Außerdem ist man aktiv, bewegt sich draußen und muss dennoch nicht so konzentriert wie beim Autofahren sein. Mit dem Fahrrad kommt man ganz schön schnell voran, der Aktionsradius ist groß, je nach Straßenzustand sind auch über 100 km pro Tag gut möglich. Und dennoch sind die Geschwindigkeiten so gemäßigt, dass wir kaum etwas am Weg verpassen und eine Fülle schöner Eindrücke sammeln können. Und irgendwann kommt dann auch das Gefühl der Freiheit, mit wenig Material und Ballast, unabhängig von einer technischen Infrastruktur einfach unterwegs zu sein. Dann wird radeln zum reisen.

Reisen mit dem Rad ist so viel mehr. Es gibt nicht nur das äußere Ziel am Abend oder am Ende der Reise. Es gibt auch innere Ziele – schaffe ich die Tour, den Pass heute oder den unvermeidbaren schlechten Weg, der sich über 25 km hinzieht. Und dazu vielleicht die Zweifel an der Qualität der Ausrüstung. Zu viel, zu schwer – oder vielleicht war ich doch zu sparsam beim Packen? Ihr kennt sicher alle diese Fragen, diese Unsicherheit in den ersten Reisetagen. Manche Schwierigkeiten lassen sich umgehen, wenn man den Pauschalurlaub auf dem Fahrrad bucht. Aber letztendlich ist eine Radreise auch immer ein bisschen eine Reise ins eigene Innere, zu den eigenen Vorlieben und zu den eigenen Grenzen. Radfahren ist anstrengend, auch auf dem Pedelec ist es nur etwas leichter. Aber da ist auch der Triumph am Abend, wenn die Strecke schön, der Tag erfüllt war und man sich immer noch prima fühlt. 

Angebote für Radtouren und Radreisen sind mittlerweile fast unüberschaubar. Es gibt sowohl den Pauschalurlaub auf dem Rad mit Gepäcktransport und Begleitfahrzeug, über die geplant Route mit vorgebuchten Zimmern bis hin zur Zufallstour, wenn wir nur von einem Tag zum anderen planen. 

Hase-Ems-Tour

Wenns quasi an der Haustür losgehen soll: Themenradwege in unserer Region sind  die Hase-Ems-Tour von der Hasequelle bei Wellingholzhausen bis zur Mündung in die Ems in Meppen. Der Rückweg führt über Ems und entlang des westlichen Teuto zurück  nach Osnabrück.

 www.hase-ems-tour.de. 

Die Megalith-Radroute

Oder die Radroute der Megalithkultur über 400 km von Osnabrück nach Oldenburg. Unterwegs liegen viele große Steine im Weg, wer die dort hingeschafft hat, erfährt man auf dieser Tour. 

www.strassedermegalithkultur.de

Tödden-Radweg

Im Westen in Ibbenbüren gibt es den Tödden-Radweg, einen Rundkurs ins südliche Emsland; mit einer Länge von 122 km ist er eine nette Wochenend-Tour.  

Weiter weg in die Ferne

Und wenn es weiter weg gehen soll, die Reise länger dauern darf, kann man intensiver und aufwendiger planen. Das kann ja viel Spaß bereiten, Vorfreude eben. .

Was gehört zur Reiseplanung? Da stellen sich ein paar Fragen: Reisen, um zu Radeln, der Weg ist das Ziel? Oder Reisen, um irgendwo anzukommen? Zweck und Ziel der Reise sollten sorgfältig gewählt werden, Übernachtungen sind zu klären, zumindest für die erste Nacht, und die Infrastruktur, also im wesentlichen die Verpflegungsmöglichkeiten sind ziemlich wichtig.

Bleiben noch die Hinweise für Tourauswahl und Ziele. Könnten wir da etwas empfehlen? Die Vorlieben können da doch weit gefasst sein. Während dem einen die gemütliche Tour entlang eines großen Flusses reicht, braucht der andere eine spektakuläre Landschaft, die sich beim Fahren auch so anfühlt. Der Autor kann vor allem letzteren viel abgewinnen, er fühlt sich aber auch am Meer wohl. 

Gute Informationsquellen über Fernradwege sind neben den diversen Fahrradzeitschriften bekannte Foren im Internet, vor allem das Radreiseforum: 

rad-forum.de

 

Weite Ziele in der Radreisesaison
Das Netzwerk der europäischen Eurovelos

Die Eurovelos

Ein Favorit des Verfassers ist die Seite de.eurovelo.com . Das ist die Seite des „European Cycle Route Network“.

Es gibt ein europäisches Fernradwegenetz, das Europa auf 16 Eurovelo-Routen vom Nordmeer bis Sizilien und von Portugal bis Sankt Petersburg und Moskau erschließt. Diese Routen folgen häufig nationalen Radrouten. Man könnte Monate unterwegs sein, auf dem Europaradweg Atlantic Coast Route von Tromsö in Norwegen bis nach Portugal über 11000 km inkl. der Fährfahrten. Der Ausbau der Routen ist allerdings sehr unterschiedlich und fehlt an einigen Stellen, ist nur die Idee einer Fahrradroute.

Pilgerradweg

Erste Empfehlung des Autors: Die Pilgerroute (EV 3) von Trondheim, Norwegen bis Saantiago, NW-Spanien. Riesenvorteil: Gleich im Zentrum von Osnabrück einsteigen und entweder nach Süden zur belgischen Grenze bei Aachen aufbrechen oder nach Norden radeln und nach einigen Tagen in Dänemark ankommen. 

Wolfgang Driehaus auf dem Ostseeradweg am Grenzübergang zwischen Deutschland und Polen

Ostseeküste erkunden

Zweite Empfehlung: Ostseeküstenradweg (EV 10), führt auf 8000 km einmal rund um die Ostsee. Wer leere Landschaft mag, also viel Gegend und Natur, fährt ab Lübeck nach Osten. Motto: Jeden Abend an einem anderen Strand schwimmen gehen. Tip: Campinggepäck vereinfacht die Quartiersuche in der Hochsaison. 

Bonjour

Wer das landschaftlich Spektakuläre sucht, ist dann eher auf der Mittelmeerroute EV 8 richtig. Sie verläuft auf 7500 km von Südspanien über Frankreich, am Südrand der Alpen durch Italien und an der Adriaküste entlang bis in die Türkei und Zypern. Diese Küsten sind in weiten Teilen gebirgig und schroff.  Dafür spräche auch ein Reisetermin außerhalb des Hochsommers. Die Kombination von Strecken ist vermutlich gewünscht. Man könnte zum Beispiel von der Mittelmeerroute in der Camargue, also dem Rhone-Delta auf den Rhoneradweg EV 17 Richtung Heimat abbiegen. Die Ideen für die Regionen und Strecken für den nächsten Radurlaub liegen also quasi auf der Straße – und im Internet. 

Vor 4 Jahren haben wir geschrieben: „Dennoch gibt es immer noch vergleichsweise wenige Menschen, die sich mit dem Fahrrad auf den Weg in den Urlaub machen  …“. Dann kam Corona, es kamen Lockdowns, die große Unsicherheit, gefolgt von dem Drang, Zeit im Freien und auf dem Fahrrad zu verbringen. Das hat auch dem Fahrradtourismus und dem Reiseradeln weiteren Schub gegeben.

wd

Übernachtungen: Unterkünfte, Biwakplätze und Netzwerke

Für die Übernachtung ist vieles möglich, vom Wildcampen (in D nicht erlaubt) über Netzwerke bis zur 5-Sterne-Unterkunft.  Ressourcen: Bett + Bike – Fahrradfreundliche Unterkünfte, die vom ADFC geprüft sind. Im Netz: . Für unterwegs gibt es BettundBike auch als App fürs Smartphone.Ein beliebtes Übernachtungsnetzwerk ist Warmshowers, das in vielen Ländern präsent ist. Es beschreibt sich als „Eine Gemeinschaft von Fahrradtouristen und diejenigen, die sie unterstützen“ und beruht auf Gegenseitigkeit. Darüber haben die ‚Hosts‘ Lars und Meike im Kettenblatt 3/2019 schon berichtet. 

Daneben gibt es in Deutschland das Netzwerk ‚Dachgeber‘, das dem ADFC nahesteht und in den Niederlanden die ‚Vrienden op de Fiets‘  bei denen allerdings recht geringe Übernachtungkosten an die Gastgeber bezahlt werden. Diese Netzwerke richten sich speziell an Reiseradler, da die Unterkünfte von Menschen angeboten werden, die ebenfalls gerne mit dem Rad auf Tour gehen. 

Wer gerne mit Zelt und Schlafsack auf die Radreise geht, wird meist auf Campingplätze gehen. Mittlerweile ist man als nicht motorisierter Reisender dabei aber ein Exot. und muss sein Zelt zwischen hundert Wohnmobile aufstellen. Nicht so romantisch! Wildcampen ist, wo erlaubt, immer noch ein kleines Abenteuer, es kostet nichts und hat dafür auch keine Infrastruktur und die daamit verbundenen Annehmlichkeiten. Es gibt als Alternative allerdings sogenannte Biwakplätze, auch Naturlagerplätze genannt. Die sind vor allem für Radreisende, Wanderer und Wasserwanderer gedacht und bieten eine ganz rudimenttäre Infrastruktur. Sie sind vor allem in Skandinavien verbreitet, auch in Schleswig-Holstein und in Mecklinburg-Vorpommern gibt es einige.  Dänemark hat davon eine höhere Dichte. Die Plätze liegen gelegentlich versteckt und sind nicht mit Kraftfahrzeugen erreichbar. Für Dänemark gibt es eine App „Shelter“ fürs Smartfon, etwas dänische Sprachkenntnisse sind für die Bedienung vorteilhaft.